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Grenzenlose Emissionsfreiheit
Auch über den Wolken gilt es, die Netto-Emissionen auf Null zu senken. Bis 2050 soll die "Energiewende am Himmel" umgesetzt sein. Welche Technologien dabei im Rennen sind. Foto: © Airbus
Auch über den Wolken gilt es, die Netto-Emissionen auf Null zu senken. Bis 2050 soll die "Energiewende am Himmel" umgesetzt sein. Welche Technologien dabei im Rennen sind. Foto: © Airbus
Fliegen, ohne Emissionen auszustoßen? Noch ist das eine Vision. Doch zahlreiche Hersteller arbeiten bereits unter Hochdruck an Flugzeugen, die auch ohne Kerosin auskommen. Ob mit Elektro, Wasserstoff oder synthetischen Kraftstoffen angetrieben – für den Flieger der Zukunft gibt es viele technologische Optionen.
Ende 2020 haben sich das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und der Bundesverband der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie (BDLI) auf ein ehrgeiziges Ziel geeinigt: „Bis 2050 werden wir klimaneutral fliegen“, so die Ansage des BDLI-Vizepräsidenten Reiner Winkler. Um die Schwelle zum Fliegen ohne Treibhausgasemissionen zu überschreiten, wollen Industrie und Forschung künftig noch mehr Arbeit und Geld investieren und für eine „Initialzündung“ beim emissionsfreien Flugzeug sorgen. Technisch ist dabei einiges möglich. Ob mit synthetischen Kraftstoffen, Brennstoffzelle oder Batterie – bei der „Energiewende am Himmel“ setzt die Industrie nicht nur auf ein Pferd. Die wichtigsten Konzepte gibt es hier.
Auf Kurs zum Wasserstoff-Flugzeug
Grüner Wasserstoff gilt als Energieträger der Zukunft. Er lässt sich sehr leicht aus nachhaltigem Strom und Wasser herstellen und bei seiner Umwandlung entsteht kein CO2. Auch verfügt er über eine hohe Energiedichte, was vor allem für den Einsatz auf Langstrecken von Vorteil ist. Der Kraftstoff kann dabei auf verschiedene Weise eingesetzt werden – zum Beispiel, indem er mit Kohlendioxid und Altöl versetzt und dann anstelle von Kerosin als sogenannter eFuel verbrannt wird. Eine andere Möglichkeit ist es, die gasförmige Verbindung direkt in modifizierten Gas-Triebwerken zu verbrennen. Als dritte Alternative ist auch die Umwandlung in elektrische Energie ein gangbarer Weg. Hierfür wird eine Brennstoffzelle genutzt, die den Wasserstoff erst in Strom umwandelt und damit dann einen elektrischen Propeller antreibt.
Der europäische Flugzeugbauer Airbus experimentiert bereits seit Längerem mit allen drei Ansätzen. Erste Ergebnisse hat er unter dem Namen ZEROe im September 2020 vorgestellt. Zu dem Konzept gehören drei verschiedene Wasserstoff-Flugzeuge, die für unterschiedliche Anwendungsfälle konzipiert wurden und dabei helfen sollen, bis 2035 einen emissionsfreien H2-Flieger zur Einsatzreife zu bringen. Die größte ZEROe-Maschine mit Platz für etwa 120 bis 200 Passagiere basiert auf einem „Turbofan-Design“ und soll eine Reichweite von etwa 3.700 Kilometer haben. Den flüssigen Wasserstoff für ihr modifiziertes Gasturbinentriebwerk führt sie in großen Tanks mit, die den hinteren Teil des Langstreckenfliegers ausmachen. Rein äußerlich ist die Maschine von konventionellen, kerosinbetriebenen Flugzeugen kaum zu unterscheiden. Lediglich das fensterlose Ende (in dem sich die Tanks befinden) und ein kleiner Fortsatz am hinteren Leitsatz, über den im Notfall Gas abgeleitet werden kann, lassen Rückschlüsse auf ihren Wasserstoffantrieb zu.
Anders sieht es bei den beiden Modellen für Kurzstreckenflüge aus. So fällt das Turboprop-Design vor allem durch seine zwei großen Propeller auf. Das Flugzeug soll rund 100 Passagiere transportieren können und seine Motoren mittels Wasserstoffverbrennung mit Energie versorgen. Seine Reichweite liegt bei etwa 1.850 Kilometern. Die gleiche Distanz soll auch der dritte Prototyp von Airbus bewältigen können, allerdings mit einem völlig anderen Konzept, denn das Modell ist ein „Nurflügler“. Das heißt, dass sein Rumpf und seine Flügel zu einer Einheit verschmelzen. Das schafft zusätzlichen Raum in den voluminösen Flügeln, in dem sich Wasserstoffspeicher oder Kabinen für Passagiere unterbringen lassen. Dieses Modell könnte neben einem mit Wasserstoff befeuerten Motor auch einen Antrieb mit sich führen, bei dem der Kraftstoff erst in Strom umgewandelt wird. Doch es gibt auch Flieger, die nur auf Elektro setzen.
E-Flieger: Mit Batterie statt Brennstoffzelle
Im Elektro-Segment tummelt sich eine Vielzahl von verschiedenen Herstellern und Konzepten. Ob kleine Start-ups oder traditionelle Flugzeugbauer, neuartige E-Helikopter und Passagier-Drohnen oder klassische Linienflugzeuge – der Markt entwickelt sich in unterschiedliche Richtungen. Grundsätzlich sind reine Elektro-Flugzeuge aktuell eher für die Kurzstrecke geeignet, da ihre Batterien ein relativ hohes Gewicht mitbringen. Auch brauchen sie im Vergleich zum Kerosintank mehr Platz, weshalb die Entwicklung von noch leistungsfähigeren Batterien für E-Flieger so wichtig ist. Doch in den vergangenen Jahren hat sich bei der Technologie bereits einiges getan.
Was die E-Antriebe bereits heute zu leisten im Stande sind, zeigt zum Beispiel ein Projekt der beiden Unternehmen magniX und AeroTEC, die im Mai 2020 eine umgerüstete, 18 Jahre alte Cessna für einen halbstündigen Testflug in die Luft geschickt haben. Die Aktion beweist, dass E-Flugzeuge keine Zukunftsmusik mehr sind und sich auch heute schon wirtschaftlich umsetzen lassen. So habe der Strom für den kurzen Flug der E-Cessna nur etwa fünf Euro gekostet, während der ursprünglich verbaute Antrieb Kerosin im Wert von mehr als 280 Euro verbrannt hätte.
Wirtschaftlich profitabel soll auch das Elektroflugzeug Alice des israelischen Herstellers Eviation sein, das laut Unternehmen bereits ab 2022 an erste Fluglinien ausgeliefert wird. Zwar ist es etwas kleiner als die umgebaute Cessna und fasst lediglich bis zu neun Passagiere, doch dafür soll es mit einer Geschwindigkeit von bis zu 240 Knoten (440 km/h) etwa 650 Kilometer weit kommen. Für Kurzstreckenflüge also eine passende Alternative. Die amerikanische Airline Cape Air soll sich bereits ganze 92 Maschinen gesichert haben. Zum Preis des E-Fliegers sind bisher keine Informationen bekannt, allerdings wirbt der Hersteller mit deutlich geringeren Wartungs- und Betriebskosten.
Einen etwas anderen Ansatz als Eviation verfolgt das Münchner Start-up Lilium. Seine E-Maschinen sollen in Zukunft eine völlig neue Form des Flugverkehrs ermöglichen. Sie verfügen über 36 elektrisch angetriebene Motoren, starten und landen senkrecht und bieten Platz für bis zu sieben Personen. Um diese Vision zu realisieren, hat sich Lilium namhafte Unterstützung und an Bord geholt. Mit Tom Enders sitzt seit Januar 2021 ein Ex-Airbus-CEO im Verwaltungsrat des Unternehmens. Auch der Investor Frank Thelen und der schwedische Tech-Experte Niklas Zennström sind in dem Gremium vertreten. Mit ihnen plant Lilium die Expansion im europäischen und amerikanischen Markt. Die Serienproduktion des neuartigen Fliegers soll jedoch in Deutschland stattfinden und voraussichtlich ab 2024 starten. Das nötige Kapital für seine Expansion hat Lilium auch über die Börse reingeholt. Im Sommer 2021 fusionierte das Unternehmen mit der börsennotierten Mantelgesellschaft Qell.
Synthetische Kraftstoffe: Schon heute verfügbar
Der amerikanische Branchen-Riese Boeing setzt bei der Dekarbonisierung des Flugverkehrs vor allem auf sogenannte Biokraftstoffe. Damit gemeint sind Energieträger, die aus verschiedenen Kraftstoffen gemischt werden, wobei ein wesentlicher Anteil aus Bio-Masse hergestellt wird, also zum Beispiel aus Abfällen aus der Nahrungsmittel-Herstellung oder der Land- und Forstwirtschaft. Tests mit dem nachhaltigen Kerosinersatz laufen bereits seit 2008. Eine vollständig mit Biokraftstoff betriebene Passagiermaschine will Boeing bis 2030 auf den Markt bringen. Bisher sind Beimischungen von Biokraftstoffen allerdings nur bis zu einem bestimmten Anteil erlaubt. Doch das könnte sich schon bald ändern – immerhin soll der Energieträger den CO2-Ausstoß im Vergleich zu reinem Kerosin um bis zu 80 Prozent reduzieren können, so der internationale Luftfahrtverband IATA.
Das Potenzial für eine nachhaltigere Luftfahrt ist also sowohl bei Wasserstoff als auch bei Batterien und alternativen Kraftstoffen gegeben.