„Die Menschen werden es lieben“: Zukunftsmarkt autonomes Fahren
Wenn Autos autonom fahren, verändert das nicht nur den Straßenverkehr. Auch Geschäftsmodelle und Wertschöpfungsketten werden sich wandeln. Welchen Einfluss das autonome Fahren auf Markt und Industrie haben wird, ist Thema im IAA MOBILITY Visionary Club. Gesponsort von Bayanat.
Mit dem Robotaxi ins Konzert, lesend im autonomen Auto durch den täglichen Stau zur Arbeit, das bestellte Paket vom selbstfahrenden Postwagen an die Haustür geliefert: Die Szenarien rund ums autonome Fahren sind vielversprechend.
Auch wenn die genauen Zahlen variieren: Prognosen gehen gemeinhin davon aus, dass der globale Markt für autonome Fahrzeuge wachsen wird. Die Marktforscher von Fortune Business Insights etwa sagen für den Prognosezeitraum von 2021 bis 2028 nach einem Pandemiebedingten Einbruch der Nachfrage eine durchschnittliche jährliche Wachstumsrate von 31,3 Prozent und ein Wachstum auf 11,03 Milliarden Dollar im Jahr 2028 voraus.
Für die Industrie wird entscheidend sein, wieviel Geld sich mit der Technologie tatsächlich verdienen lässt. Wie sieht es also aus, das Geschäftsmodell der Zukunft für das autonome Fahren? Die Antwort: Divers. Denn in einem Markt, der vom privaten Fahrzeug über autonome Lastwagen bis zu Robotaxis reichen wird, werde es das eine Geschäftsmodell nicht geben, sagt Danny Shapiro im IAA MOBILITY Visionary Club. Der Vice President Automotive beim KI-Computing-Experten NVIDIA glaubt: „Die Möglichkeit, Sicherheit und Effizienz zu erhöhen und ganz neue Dienstleistungen anzubieten, kreiert Angebote, für die die Menschen bezahlen werden.“
Mobilitätsservices als Vorreiter
Die breite Einführung in privaten Fahrzeugen würde allerdings allein schon durch die noch hohen Kosten für Sensoreinheiten und Computermodule gebremst, die für autonome Fahrzeuge unerlässlich sind, sagt Paul Thomas und rechnet vor: Um geschätzte 30 bis 40 Prozent würden sie den Preis eines Autos derzeit in die Höhe treiben. Thomas ist CTO bei Project 3 Mobility, einem Unternehmen, das an einem Ökosystem aus mobiler App, autonomen Fahrzeugen und passender Infrastruktur für den urbanen Raum arbeitet. Er ist überzeugt: Speerspitze bei der Verbreitung des autonomen Fahrens werden Anbieter von Mobilitätsservices sein.
Auch Shapiro sieht den Anfang des Siegeszugs des autonomen Fahrens nicht im Privatfahrzeug. Er geht davon aus, dass es den ersten Aufschwung bei Lastkraftwagen geben wird: „Es gibt eine große Nachfrage im gewerblichen Bereich.“ Selbstfahrende Fahrzeuge können Fahrer unterstützen und sogar ganz ersetzen. Das senkt Lohnkosten und erhöht die Sicherheit für den Menschen, etwa im Bergbau, wo potentiell gefährliche Manöver künftig Kollege Maschine alleine übernehmen könnte. Im Volumenmarkt jedoch werde es das Passagierfahrzeug sein, das den Wandel antreibe, glaubt Thomas Dannemann, Senior Director of Product Marketing beim Technologiekonzern Qualcomm. „Einfach, weil die Menschen es lieben werden.“ Das Auto selbständig auf Parkplatzsuche schicken, auf langen Autobahnfahrten das Steuer abgeben – solche Services werden Kunden schätzen.
Einführung in Raten
Die Einführung des autonomen Fahrens werde jedoch voraussichtlich in Raten erfolgen. Denn „der Grad der Autonomität lässt sich skalieren“, sagt Shapiro. Soll heißen: Nicht für alle muss es gleich das vollautonome Fahrzeug sein. „Man wird die Möglichkeit haben, Autos auf verschiedenen Niveaus der Autonomität zu kaufen.“ Ein bisschen wie bei Smartphones und Apps: Die Grundlage für die Technologie ist schon beim Kauf vorhanden. Ob und wann er einzelne Features aktivieren will, entscheidet der Kunde. Denn das autonome Fahrzeug von morgen ist softwaredefiniert und damit in seiner Ausstattung nicht statisch – Updates und Upgrades können immer wieder verändern, welche Funktionen das Auto bietet. Das bedeutet aber auch: Die Software wird wichtiger als die Hardware sein, womit sich perspektivisch der Anteil an der Wertschöpfung im Fahrzeug verschiebt – hin zu Software und der elektrisch-elektronischen Architektur.
Aus Zulieferern werden Partner
Das verändert freilich auch innerhalb der Industrie einiges: Lebens- und Entwicklungszyklen von Produkten, die Beziehung von Zulieferer und Hersteller sowie die Wertschöpfungskette. Ob der Begriff „Zulieferer“ dann überhaupt noch treffend sein wird, sei zu hinterfragen, gibt Shapiro zu bedenken. „Autonome Fahrzeuge werden kontinuierlich aktualisiert werden, daher sind wir nie fertig mit der Software, die wir entwickeln. Wir werden sie permanent verbessern und Softwareupdates anbieten.“ Das verändere die Beziehung zum Hersteller noch mehr in Richtung Partnerschaft. Autos, die mit bestimmten Funktionen auf den Markt kommen und nach fünf Jahren von der nächsten Modellgeneration abgelöst werden, werde es dann nicht mehr geben, sagt Dannemann: Das Auto wird über seine ganze Lebensdauer aktualisiert und immer wieder aufgerüstet werden. Wir werden damit einen klaren Wandel in der Wertschöpfungskette in der Industrie der Zukunft sehen.“
Regulierung als Treiber
Wann diese Zukunft beginnt, hängt stark von der Gesetzgebung ab. „Die Regulierung ist einer der wichtigsten Treiber. Sie muss und wird sich ändern, damit wir diese Technologie einführen können“, sagt Thomas. „Dafür müssen wir den Behörden beweisen, dass sie um ein Vielfaches sicherer als der durchschnittliche menschliche Fahrer ist.“
Mehr Sicherheit sei auch einer der Vorteile, die letztendlich die Verbraucher überzeugen werden. Gerade im urbanen Raum läge hier enormes Potential: „Autonome Fahrzeuge sind anders als der Mensch nie müde, nie am Telefon.“ Und auch mit Effizienz und Ressourcenschonung punkten sie. „Ein autonomes sollte künftig acht bis zehn private Fahrzeuge ersetzen, die bisher nach der Fahrt zur Arbeit den Tag über im Parkhaus stehen“, so Thomas. Auch werden die meisten autonomen Fahrzeuge elektrisch sein und die Künstliche Intelligenz (KI) sie energieeffizienter steuern, als der Mensch es kann.
Die Aussicht auf reibungslosere, sicherere und effizientere Mobilität wird den Menschen etwas wert sein, so die Hoffnung in der Automobilbranche. „Die User-Experience wird das große Unterscheidungsmerkmal sein – und der Punkt, an dem Kunden bereit sind, für diese neuen Services zu bezahlen“, so Dannemann. „Früher war man stolz, selbst zu fahren. Die nächste Generation wird stolz darauf sein, gefahren zu werden.“